Der neuste Bericht von Amnesty International zur weltweiten Anwendung der Todesstrafe ist erschütternd. Im Jahr 2022 wurden weltweit mindestens 883 gerichtliche Hinrichtungen dokumentiert. Viele Fälle können aufgrund der Geheimhaltung der Hinrichtungszahlen nicht dokumentiert werden. Für alle die sich weiterführend zum Amnesty-Report informieren möchten, haben wir hier den Bericht auf Englisch verlinkt.
Aufgrund dieser Aktualität des Themas möchten wir heute von einer Person berichten, die von einer gerichtlichen Hinrichtung betroffen ist. Der heutige Rundbrief handelt von Michael Tisius aus den USA. Dort wurden 2022 insgesamt 18 Personen hingerichtet.
Im Mai und Juni 2000 verbüßte der 19-jährige Michael Tisius eine 30-tägige Haftstrafe wegen Diebstahls im Gefängnis von Randolph County, Missouri. Er teilte sich seine Zelle mit einem älteren Mann. Dieser entwickelte einen Plan, wie der Jugendliche ihm nach seiner Entlassung bei der Flucht helfen könnte. Auch wenn dabei keine Waffe zum Einsatz kommen sollte, stahl die Freundin des Mannes eine Schusswaffe und gab sie Michael Tisius, um damit die Gefängniswärter einzuschüchtern. Doch der Plan ging schief, und die beiden Gefängniswärter wurden erschossen. Michael Tisius hat eine von Missbrauch und Vernachlässigung geprägte Kindheit hinter sich. Bei ihm wurden neurologische Defizite und Hirnfunktionsstörungen, eine posttraumatische Belastungsstörung und eine abhängige Persönlichkeitsstörung diagnostiziert. Expert*innen sind zu dem Schluss gekommen, dass der ältere Mann die Unreife und psychische Erkrankung von Michael Tisius ausgenutzt hat, um ihn in das Verbrechen zu verwickeln.
2001 wurde Michael Tisius des Mordes für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Die Todesstrafe wurde in der Berufungsinstanz aufgehoben. Im neuen Strafzumessungsverfahren 2010 stimmten die Geschworenen erneut für die Todesstrafe. Die Staatsanwaltschaft gab den Geschworenen gegenüber an, die zukünftige Gefährlichkeit des Angeklagten würde ein Todesurteil “notwendig” machen. Wie jedoch ein Psychiater, der Michael Tisius in den letzten zwei Jahrzehnten beurteilt hat, im Jahr 2022 sagte, würde er “das Gegenteil von jeglichem unsozialen Verhalten zeigen” und habe “einen erfolgreichen Übergang zu einem gewaltfreien Leben” im Gefängnis geschafft.
Im März dieses Jahres wurde bekanntgegeben, dass Michael Tisius am 6. Juni 2023 in Missouri hingerichtet werden soll. Amnesty International lehnt die Todesstrafe grundsätzlich und uneingeschränkt ab und fordert deshalb dazu auf Michael Tisius zu begnadigen und sein Todesurteil umzuwandeln.
Im Anhang finden Sie die Appelle an den Gouverneur von Missouri Michael L. Parson und an die Botschaft in Berlin. Das Schreiben an die Botschaft kann auch per E-Mail an feedback@usembassy.de gesendet werden. Es gibt noch viele weitere Fälle von Menschen, denen eine Hinrichtung droht wie zum Beispiel Jamshid Sharmahd oder sechs Männern (Adnan Ghobeishavi, Moein Khanfari, Mohammad Reza Moghadam, Salem Mousavi, Habib Deris und Ali Mojadam) der Ahwazi-Minderheit. Hinter den Links findet ihr die Urgent Actions zu den Fällen aus dem Iran.